

Der Begriff Maverick steht im Englischen für „abtrünnig“ bzw. „herrenlos“ oder auch für „Einzelgänger“. Die möglichen Übersetzungen lassen schon erahnen, dass es auch im Einkauf gleich mehrere Formen bzw. Interpretationen von Maverick gibt...
Maverick Buying im Beschaffungscontrolling
Dort – im Strategischen Einkauf - kennt man das sog. Maverick Buying als etwas, das es zu verhindern gilt. Geht man der Frage nach, warum das so ist und welche konkreten Nachteile Maverick Buying im Einkauf mit sich bringt, so ist es sinnvoll zunächst zwischen verschiedenen Ausprägungsformen zu unterscheiden.
3 Typen von Maverick Buying
- Beschaffungsvorgänge laufen am Einkauf vorbei
Im ersten Fall (Typ 1) wählen sich anderen Funktionalbereiche – z. B. das Marketing, die IT – oder Einzelpersonen – z. B. aus der Geschäftsführung oder dem Vorstand - selbst ihre Lieferanten aus, verhandeln mit ihnen und bestellen bei diesen ohne den Funktionalbereich „Einkauf“ zu involvieren. Wertvolle Bündelungsoptionen oder andere Einsparungshebel bleiben so ungenutzt.
- Der Einkauf wird bei Beschaffungsvorgängen (zu) spät einbezogen
Im zweiten Fall (Typ 2) wird der Einkauf zwar involviert, aber meist erst recht spät, so dass er sein wertvolles Know-how in Verhandlungen oder der Lieferantenmarktanalyse und -auswahl nicht ausspielen kann und reiner operativer „Bestellabwickler“ bleibt.
- Vorhandene Verträge werden für die Beschaffungsvorgänge nicht genutzt
Im dritten Fall (Typ 3) liegen zwar – vom Einkauf – verhandelte Verträge vor, die Organisation nutzt sie jedoch nicht, sondern „bestellt an ihnen vorbei“. Bereits ausgehandelte günstige Konditionen und Preise bleiben ungenutzt und führen zu einem höheren Kostenniveau.

Zielsetzungen und Maßnahmen
Wichtig: Die Kostenachteile für das Unternehmen steigen von Typ 1 zu Typ 3 signifikant an, so dass es das Ziel des Einkaufs sein sollte...
- den „Spend under Procurement Management“ d.h. das durch den Einkauf kontrollierte und verantwortete Einkaufsvolumen zu erhöhen,
- den Einkauf bei möglichst allen Beschaffungsvorgängen frühzeitig zu involvieren,
- die ausgehandelten (Rahmen-)Verträge auch für möglichst viele Einkaufsvorgänge und einen großen Teil des Beschaffungsvolumens zu nutzen sowie
- für möglichst alle wichtigen und umsatzstarken Lieferanten gültige Verträge abzuschließen.
Maverick Buying und Compliance – zwei ähnliche Begriffe
Oftmals wird im Einkaufsumfeld der Begriff „Compliance“ mit Maverick-Buying gleich gesetzt. Dies ist formal nicht zutreffend, da Compliance inhaltlich sehr viel weiter gefasst ist und jede Art von Regelverletzung im Unternehmen und damit auch im Einkauf meint, so z. B. auch falls vorhandene Preis- oder Zahlungskonditionen nicht verwendet werden.
In der Praxis ist die Vermischung der Begriffe Maverick Buying und Compliance aber weniger schlimm wie es zunächst erscheint, denn wichtig ist schlicht und einfach die daraus resultierenden negativen Effekte zu verhindern.
Kennzahlen / KPIs zur Messung von Maverick Buying
Zunächst gilt es, die negativen Effekte des Maverick Buying zu erkennen und zu bewerten. Erst dann lassen sich die oben beschriebenen Maßnahmen einleiten und dauerhaft monitoren. Es ist also nicht damit getan einmalig zu versuchen, Verbesserungen beim Maverick Buying umzusetzen, sondern es wird ein dauerhafter Regelkreis etabliert, der Abweichungen zeitnah erkennt und Maßnahmen zur „Gegensteuerung“ initiiert.

Geht man von den beschriebenen drei Grundformen bzw. Typen des Maverick Buying aus, so lassen sich folgende 5 Kennzahlen / KPIs zur Messung heranziehen:
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Bestellbezug (Typ 1 und Typ 2): Anteil des Rechnungsvolumens, der durch Bestellungen des Einkaufs unterlegt ist. Diese Kennzahl wird oftmals auch als Cash-Out-Quote bezeichnet, was allerdings irreführend ist, da für den Strategischen Einkauf üblicherweise nicht der gesamte Cash-out im Sinne des gesamten Rechnungsvolumens relevant ist, sondern nur der für ganz bestimmte externe Lieferanten (exklusive Finanzamt, interne Lieferanten etc.).
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Anteil des vom Einkauf mitgestalteten Beschaffungsvolumen je Härtegrad (Typ 2): Diese Kennzahlen beschreiben, welcher Anteil des Einkaufsvolumens auf eine bestimmte Phase des Sourcing-Prozesses entfallen ist, in der der Einkauf erstmalig involviert wurde (z. B. 20% schon bei Lieferantenauswahl, 80% des Spend erst bei Bestellauslösung).
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(Rahmen-)Vertragsnutzung (Typ 3): Anteil des Rechnungs- oder Bestellvolumens, das auf existierende Verträge referenziert und diese benutzt. Diese Kennzahl wird oftmals auch als Rahmenvertragsnutzung oder Vertragsnutzungsquote bezeichnet.
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Preis-Compliance (Ergänzung Typ 3): Die Kennzahl Nr. 3 Rahmenvertragsnutzung sagt prinzipiell nur aus, welcher Teil des Einkaufsvolumens an den Verträgen vorbei bestellt wurde bzw. welcher Prozentanteil über sie lief. Sie trifft jedoch keine Aussage darüber, ob der Rechnungs- oder Bestellpreis eines Beschaffungsvorganges auch dem vertraglich vereinbarten Preis entspricht. Genau diese möglichen Abweichungen berichtet die Kennzahl „Preis-Compliance“. Sie ergänzt damit die üblichen Maverick-KPIs um eine sehr wichtige Cost Reduction Kennzahl.
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Konditions-Compliance (Ergänzung Typ 3): Ähnliche Analysen wie bei der Preis-Compliance können auch bei den Konditionen – z. B. Zahlungskonditionen – gemacht werden. Auch hier gilt es zu überprüfen, ob die in den Verträgen vereinbarten Konditionen in der Realität ausgeführt und genutzt wurden. So überwachen diese Kennzahlen z. B. ob verhandelte Zahlungsziele über- oder unterschritten wurden, d.h. ob zu früh oder zu spät gezahlt wurde. Auch die Skonto-Nutzung wird gemessen und mit den vertraglich vereinbarten Planwerten verglichen.
Die Kennzahlen / KPI „Bestellbezug“ und „(Rahmen-)Vertragsnutzung“ werden oftmals auch unter dem allgemeinen Terminus Maverick Buying Quote aufgeführt.
Dies führt jedoch insofern in die Irre, da es – wie oben beschrieben – sehr bedeutende Unterschiede gibt, wie genau die Messung erfolgt und welche Aussagen damit getroffen werden können. Eine einzelne Kennzahl Maverick Buying Quote ist für das Phänomen des Maverick Buying sicherlich nicht sinnvoll nutzbar.
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